Die Faszination der Mathematik

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22272 – An dieser Nachkommastelle ist der Joe in PI … unter anderem

An dieser Stelle kommt der Joe in Pi vor. Handgemalt mit Photoshop von Joe Freiburg. Veröffentlicht auf www.geilemathe.de

Die Faszination, die PI umgibt, strahlt einen an, blickt man auf die einzigartige Ziffernfolge. Was steckt in dieser Zahl. Ich behaupte: Alles!

PI ist wahrscheinlich nach Phi die „natürlichste“ Zahl, die es gibt. Natürlich bezieht sich hier tatsächlich auf die Natur, nicht auf die natürlichen Zahlen, denn PI ist alles andere als natürlich, PI ist irrational, unvorstellbar mit dem Verstand. Im mathematischen Sinn heißt „irrational“, dass es keinen Bruch gibt, mit dem die Zahl darstellbar ist. Sie hat unendlich viele Nachkommastellen. Und die Folge dieser Ziffern wird sich an keiner Stelle wiederkehrend wiederholen. PI ist nicht periodisch.

Machen wir ein Experiment, das jeder nachmachen kann, wenn er eine Tabellenkalkulation wie Excel oder OpenOffice Calc besitzt. Im Experiment soll versucht werden, Ziffernfolgen in den Nachkommastellen von PI zu finden, die in Buchstaben umgewandelt sinnvolle Wörter oder gar Sätze ergeben.

Wir müssen sehr lange nach sinnvollen Begriffen suchen, wenn wir den Buchstaben A-Z, den Umlauten und dem ß die Zahlen 0-29 zuordnen und dann nach Textbrocken suchen. Das liegt daran, dass in den verschiedenen Sprachen die Buchstaben nicht gleichmäßig verteilt sind. Im Deutschen ist das „e“ mit rund 17% vor dem „n“ (ca. 10%) und dem „i“ (ca. 7,5%) führend. In anderen Sprachen ist die Verteilung anders, das „y“ spielt im Englischen beispielsweise eine komplett andere Bedeutung als im Deutschen. Betrachtet man das Balkengramm der Buchstabenverteilung eines Textes, so ist das wie ein Fingerabdruck der Sprache.

Innerhalb einer Sprache können aber auch thematische Unterschiede bei der Verteilung auftreten. Man könnte versuchen, anhand der Buchstabenverteilung nicht nur auf die Sprache, sondern auch auf den Inhalt zu schließen.

Nicht nur die Buchstaben verteilen sich charakteristisch, auch die Kombinationen der Buchstaben. Im Deutschen wird etwa das „q“ sehr selten benutzt, ohne das anschließende „u“ fast gar nicht. Es macht also Sinn, auch Buchstabenkombinationen zu nutzen. „sch“, „ck“, „en“ oder „er“ sind nur einige Beispiele dafür. Zunächst aber brauchen wir Text. Im Internet findet sich reichlich. Ich habe für das Experiment die BVB-Webseite geplündert und alles an Text kopiert, was mehr als 2 Sätze besaß. Eine deutliche Erhöhung des Gebrauchs von „B“ und „V“ ist hier nicht bemerkenswert. Die EDV-technischen Abhandlungen erspare ich euch, wer Interesse daran hat, bitte Mail schicken!

Am Ende hat Excel hervorragende Arbeit geleistet, die ersten hunderttausend Nachkommastellen in dreistellige Zahlenblöcke verwandelt und jedem dieser Zahlenblöcke aufgrund der Häufigkeitsverteilung eine Buchstabenkombination oder einen Buchstaben zugewiesen. Wir blicken auf Text, auf geheimnisvollen Text, auf Text, den PI uns geschenkt hat. Zugegeben, der Text ist etwas seltsam, sehr viele Passagen lesen sich wie „glienteentvhozufnahvn“, aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Allein in dem kleinen Beispiel oben sind sinnvolle Wörter wie „Ente, Teen, TV, zu oder nah“ zu erkennen. Aufgrund meiner zufällig verteilten Zuordnung  der Buchstaben auf die Zahlen, taucht mein Name „Joe“ bereits an Position 22.272 auf! Pi kann mich leiden (ich Pi übrigens aus, hach!).

Würde man nun das „b“, das dem Wert 457 zugeordnet ist, mit dem „k“, das dem Wert 788 zugeordnet, ist tauschen, Pi hätte im Handumdrehen einen neuen Text für uns. Wie viele Kombinationen gibt es aber, 1000 Zeichen in verschiedenen Reihenfolgen zu schreiben. So was nennt man Permutation und berechnet sich mit der Fakultät: 1000*999*998*997* … *3*2*1. Ich verspreche, was da rauskommt ist immens groß. Euer Taschenrechner kann gerade mal 69 Fakultät ausrechen, bei 70 Fakultät haben wir schon eine Zahl mit mehr als 99 Stellen! Wenn ihr 1000 Fakultät berechnen wollte, könnt ihr gerne den Fakultätenrechner im Bereich Programme nutzen.

Diese eine Verteilungstechnik sorgt dafür, dass uns PI 1000 Fakultät verschiedene Geschenke macht. Dazu kommt, dass PI unendlich viele Nachkommastellen hat. Bei so vielen ist aber auch eigentlich Wurscht, ob wir das noch mit 1000 Fakultät multiplizieren.

Das Fazit ist bedrohlich! Mit allein einer Umwandlungstechnik generieren wir mit PI eine unendlich nicht periodische Anreihung von Buchstaben. Alles, was jemals geschrieben wurde, alles, was heute in schriftlicher Form vorliegt und auch alles, was jemals geschrieben werden wird, findet Ihr in den Nachkommastellen von PI. Wenn Ihr die Bibel  (nicht Pibel, das ist eine Internetseite, auf der ihr die ersten 10 Millionen Nachkommastellen herunterladen könnt. Dringend zu empfehlen, die Ziffern sind echt krass und ihr habt einen langen Lesespaß!), Buchstabe für Buchstabe in Ziffern übertragt, dann ist genau diese lange Ziffernfolge in PI enthalten, übrigens unendlich oft!! Ihr könntet alle E-Mails dort finden, die beispielsweise die NSA abgefangen hat. Ihr fändet das Geheimrezept der Coca-Cola oder auch Auflistung der Bundesligavereine aus der Spielserie 2345/46, alles!

Das einzig Blöde ist, da dort alles, also wirklich alles drin steckt, sind auch unendlich viele falsche Auflistungen der Bundesligavereine aus der Spielserie 2345/46 zu lesen. Ebenso alle E-Mails, die die NSA nicht abgefangen hat, wenn es solche überhaupt gibt. Wir finden alles, aber besitzen kein Kontrollsystem, was uns mitteilt, ob ein Text denn nun eine Relevanz hat oder ob er eben nur ein Text ist. Das schmälert aber die unfassbare Faszination nur unwesentlichst.

Apropos Faszination. Ein Blick auf Pi zeigt uns auch die Unwahrscheinlichkeit von Ereignissen und wie sich Ereignisse dieser Unwahrscheinlichkeit widersetzen. Nehmen wir die Ziffernfolge 111. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus 10 Ziffern genau 3 hintereinander kommen, ist 1/1000. Wenn ihr aber berechnet, wieviel dreistellige Zahlen nacheinander in den ersten 1 Millionen Nachkommazahlen vorkommen, kommt ihr auf 999.998. Die 111 kommt also rund 1000 mal vor. Genauer gesagt 1051. Das entspricht ungefähr der Wahrscheinlichkeit, 4 Richtige im Lotto zu tippen. Wenn wir die Anzahl der Ziffern auf 6 erhöhen gibt es bereits 1.000.000 Kombinationen.

Eine 6-stellige Ziffernfolge findet ihr also rund 1 Mal in den ersten 1 Mio Nachkommastellen von Pi. Ich habe das mal für ein paar Beispiele nachgerechnet. Die ersten 6 Ziffern von Pi (314159) findet ihr genau einmal, nämlich an Stelle 176450. Die 777777 kommt sogar zweimal vor. Daher wird es nindestens eine 6stellige Kombination geben, die gar nicht vorkommt. Und jetzt werft einen Blick auf die Nachkommastellen. Sucht euch eine beliebige 25stellige Ziffernfolge heraus. Die Wahrscheinlichkeit, dass genau diese Folge dort steht, liegt bei 1/1019!! Zehntrillionen! Das sind 10.000 mal die Staatsverschuldung der USA im Jahre 2019.  Aber, ihr seht diese völlige Unwahrscheinlichkeit.

Traut euch, stöbert in PI, lest euch gegenseitig Passagen davon vor, whatsappt euch besonders schöne Ziffernfolgen, erfreut euch an der Schönheit!

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