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2197: Put your Jeans on!

Put yout Jeans on - Auf Entdeckungsreise mit der Ableitung. Handgemalt mit Photoshop von Joe Freiburg. Veröffentlicht auf www.geilemathe.de

Aus wieviel Faden besteht eure Jeans, also die ohne gekaufte Löcher?

Neulich stolperte ich im Netz über eine mehr als zehnseitige sehr präzise ausgeführte Abhandlung zur Bestimmung des Nähfadenbedarfs. Ein Thema, mit dem sich mehrere Personen sehr intensiv beschäftigt haben, eines aber auch, das mir bis dahin nicht einmal annähernd als Problem in den Sinn kam.

Wenn man näher darüber nachdenkt, ist das natürlich ein sehr wichtiges Thema, denn ein Produzent von Jeans, der den Stoff nach den Vorgaben des Schnittmusters erst zuschneiden und dann vernähen muss, sollte sehr genau wissen, wieviel Meter Garn er bei welcher Stichtechnik benötigt. Bei entsprechenden Stückzahlen ist die genaue Kalkulation Geld wert.

Die Frage, die aus diesem Problem als zweites geboren wird, ist natürlich die, wieviel Meter Faden eigentlich verwebt werden müssen, um besagte Jeans zu produzieren. Die Suche nach der Antwort auf diese Frage dauert wahrscheinlich länger als es selbst auszurechnen.

Bevor Ihr jetzt eure Jeans sauber auseinandernehmt, planen wir lieber einen mathematischen Weg. Wir zählen zunächst die Fäden in einem Quadratzentimeter, bestimmen dann die Fläche der Hose und rechnen alles zusammen. Damit ihr in Ruhe zählen könnt, schneidet in ein dunkles Blatt Papier ein Quadrat von 1 cm Länge. Das klebt ihr mit Tesa auf eure Jeans. Smartphone her und ein Foto machen. Geht möglichst nahe ran. Das dunkle Papier verhindert übrigens, dass der Autofokus ständig auf die helle Fläche scharfstellt, wir wollen ja die Hose mit der Webstruktur einfangen.

Ich habe das Foto danach in die Bildbearbeitung geladen und gut vergrößert, damit ich die Struktur erkennen kann. Die Fäden sind nicht senkrecht verwoben sondern in einem 45-Grad-Winkel. Bei den parallel zur Lochkante verlaufenden Fäden zählte ich 30, die jeweils 1 cm Länge haben. Macht zusammen 30 cm. Von den schräg verlaufenden Fäden lag der mittlere genau in der diagonale des ausgeschnittenen Quadrats. Rechts und links davon zählte ich jeweils sieben Fäden, die in gleichem Abstand verwoben waren. Hier könnt ihr jetzt einfach die Fadenlängen messen, aber das ist relativ langweilig. Geiler ist schon, die Länge mit einer Funktion zu berechnen, oder besser mit der Summe von Funktionswerten! Wir drehen uns das Bild so, dass die Diagonale die y-Achse ist. Die andere Diagonale sei dementsprechend die x-Achse. Im ersten Quadranten erkennen wir nun die sieben Fäden, die nach rechts hin immer kürzer werden. (Schaut mal oben in das Bild, da ist der modellierte Ausschnitt zu erkennen).

Die Fäden gehen nun von der x-Achse bis zur Kante des Quadrats, die jetzt eine wunderschöne lineare Funktion ist. Wir kennen die Steigung. Wegen des abschüssigen 45-Grad-Winkels ist sie Minus 1. Wir kennen auch den y-Achsenabschnitt. Der ist ja genau die Hälfte der Diagonalen. Die Diagonale im Quadrat ist aber Grundseite mal Wurzel-2, und davon die Hälfte bei einer Seitenlänge von 1 ist Wurzel-Zwei Halbe. Die lineare Funktion seht ihr unter (1) im Rechenkasten.

Die Stellen auf der x-Achse, von denen die Fäden senkrecht nach oben gehen, sind der jeweils achte Teil  der halben Wurzel. Wir müssen also lediglich die sieben Funktionswerte in den Abständen Wurzel-2-durch-16 aufsummieren. Schaut mal unter (2).

Jetzt haben wir die Länge der Schrägfäden im ersten Quadranten, es gibt aber vier Quadranten, also das Ganze mal 4. Dann fehlt noch das Fadenstück, das als y-Achse verbaut wurde. Da kommen noch mal Wurzel-2 cm dazu. Den Rest erledigt der gute Casio. 41,31 cm Faden auf einem Quadratzentimeter Jeanshose.

Zieht mal die Jeans aus und legt sie platt auf den Boden. Der Reißverschluss trennt die Hose in zwei hübsche Trapeze. Die Länge im Schritt war bei mit 29 cm, die Höhe 20 cm und die Komplettlänge 104 cm. Wir addieren die beiden parallelen Seiten 104 + 29, teilen das durch 2 und nehmen es mit der Höhe mal und kommen auf 1330 Quadratzentimeter. Die Jeans besteht aber aus vier dieser Trapeze, also aus einer Stofffläche von 5320 Quadratzentimeter. Jetzt noch mit den 43 multiplizieren und wir kommen auf 219.769 Zentimeter Faden, was 2197,69 Metern oder rund 2,2 Kilometer Faden entspricht. Nach dem ersten Staunen zieht euch besser die Jeans wieder an. Als Hausaufgabe geht ihr dann an euren Kleiderschrank und rechnet kurz aus, wieviel Kilometer Faden Eure Klamotten insgesamt lang sind. Meine Prognose: Wenn Ihr unter 100 Kilometer bleibt, seid ihr männlich.

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