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2 Kugeln und die Singularität

2 Kugeln und die Singularität. Handgemalt mit Photoshop von Joe Freiburg. Veröffentlicht auf www.geilemathe.de

In der Schule haben wir gelernt, dass zwei Kugeln, wenn sie denn aneinander liegen genau einen Schnittpunkt besitzen. Was aber ist ein Punkt?

Mathematisch gesehen ist ein Punkt ein Element ohne Ausdehnung. Der Punkt hat deshalb keine Ausdehnung, weil es in seinem persönlichen Universum keine Ausdehnungsmöglichkeiten gibt. Er lebt in der 0. Dimension, ist materielos, entspricht der Singularität.

Wenn man diese abstrakte Sichtweise konkretisiert, dann müsste man in der Realität im Grund nur zwei perfekte Kugeln nehmen, sie aneinanderlegen und hätte am Berührpunkt eine Singularität erschaffen. Wo aber eine perfekte Kugel herbekommen? Die wohl zur Zeit perfekteste Kugel hat das Urkilogramm ersetzt. Nach unseren Produktionsmöglichkeiten ist diese Kugel perfekt rund. Sie wird aus reinstem Silizium hergestellt und das Kilogramm wird neu über die Anzahl der Teilchen definiert, die in dieser Kugel stecken. Reines Silizium hat einen extrem regelmäßigen Gitteraufbau, die Atome sind in regelmäßigen Abständen voneinander entfernt. Es lohnt sich also, einen Blick auf die äußere Schicht der Kugel zu werfen.

Den Abstand zwischen 2 Silizium-Atomen kann man relativ einfach berechnen. Dazu brauchen wir das Volumen der 1-Kilo-Kugel und die Anzahl der Atome in der Kugel. Rechnen wir ein wenig.

Die Dichte ergibt sich über die Anzahl der Teilchen und damit deren Masse in einem bestimmten Raum. Es gilt: Dichte = Gewicht / Volumen und damit Volumen = Gewicht / Dichte. Im Falle unserer Siliziumkugel heißt das 1000g / 2,336 g/cm³ = 428,0821978 cm³

Kommen wir zur Anzahl. 28,0855 g Silizium entsprechen 6,02214076 * 1023 Teilchen. Der Dreisatz liefert für einen Kilo 2,144217037 * 1025 Teilchen. Volumen durch Anzahl ergibt den Abstand von 1,996449941 * 10-23 cm³. Wir schummeln jetzt ein wenig und pressen die tetraederförmig aufgebaute Atome in einen Würfel hinein. Dann müssen wir aus dem errechneten Wert noch die dritte Wurzel ziehen, um auf den Abstand zwischen zwei Atomen zu kommen. Das ergibt dann 2,712810608 * 10-8 cm also etwa 2,7 Angström. In Wirklichkeit ist es ein wenig kleiner, weil wir modellhaft einen Würfel angenommen haben (2,5 Angström).

Wenn jetzt beide Kugeln so aneinander lägen, dass die Berührstelle aus zwei dieser winzigen Lücken bestünde, dann wäre die Berührstelle tatsächlich materielos. Dass Lücke auf Lücke liegt, ist übrigens sehr wahrscheinlich, denn das Verhältnis zwischen Atomkerndurchmesser und Durchmesser der Elektronenschalen ist enorm. Man denke an das Bild der Orange, die auf dem Anstoßkreis eines Bundesligastadions liegt   und dem Atomkern entspricht, und der Rosine, die als Elektron auf den äußersten Sitzplätzen umherschwirrt.

Sind wir damit in der Singularität angekommen?  Wohl leider doch nicht, weil das Nichts sich ja trotzdem in drei Raumrichtungen ausdehnen könnte. Wir bleiben damit Gefangene in den uns bekannten drei Raumdimensionen. Schade!

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