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1123 – Das geilste Dreieck der Menschheitsgeschichte

Das geilste Dreieck der Welt. Handgemalt mit Photoshop von Joe Freiburg. Veröffentlicht auf www.geilemathe.de

Viele kennen jene Geschichte über Blaise Pascal, in der er das Pascalsche Dreieck fand. Sie ist aber zu schön, um nicht an einem sonnigen Sonntag nochmal erzählt zu werden.

Wenn es um das Pascalsche Dreieck geht, höre ich fast immer die Frage: „Wie kommt man denn bitte auf so etwas?“ Wie so oft, kann man dann nur antworten: „Durch puren Zufall – so es ihn denn gibt!“ Blaise Pascal lebte in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich. Seine Spezialgebiete waren neben der Mathematik auch die Physik, Literatur und Philosophie. Pascal arbeitete sehr intensiv an den binomischen Formeln.  Die Vorsilbe „bi“ hat übrigens nichts mit dem Quadrat hinter der Klammer zu tun, sondern mit der Anzahl der Mononome innerhalb der Klammer. Deshalb gibt es auch nicht die in der Schule vermittelten 3 binomische Formeln, es gibt praktisch unendlich viele. Die werden allerdings unter dem Titel binomischer Lehrsatz geführt (a+b)n, wobei die binomischen Formeln für den Sonderfall n=2 einen eigenen Namen besitzen.

Eines Tages multiplizierte Pascal die vielen Klammern der binomischen Formeln und erhielt lange Terme, die eine spannende Regelmäßigkeit zu erkennen gaben. Oben im Bild seht Ihr, was passiert, wenn man die Exponenten konsequent an die Buchstaben schreibt, auch wenn diese 1 oder 0 sind. Es gibt genau 1 Variablenpärchen mehr als der Exponent über der Klammer zeigt. Um diese Mononome zusammenzustellen, beginnt man mit dem „a“ in der höchsten Potenz und zählt für die weiteren Mononome im Exponenten immer einen ab, bis man bei 0 ankommt. Entsprechend beginnt man beim „b“ mit dem Exponenten 0 und addiert solange einen dazu, bis der Exponent der binomischen Formel erreicht ist. Wer diese Struktur einmal erkannt hat, vergisst sie nie mehr und kann auch a plus b in Klammern hoch 234 aus dem Handgelenk notieren.

Was aber ist mit den Koeffizienten? Diese Frage stellte sich Pascal wohl auch und entschloss sich einen Blick auf diese zu werfen, ohne die vielen Variablen dabei zu betrachten. Er strich die Buchstaben aus den Termen, betrachtete die übrig gebliebenen Zahlen und sah … das Pascalsche Dreieck! So macht man Entdeckungen! Pascal erkannte natürlich sofort die Regelmäßigkeit, in der sich das Dreieck aufbaute. Ein Zahlenpaar einer Reihe addiert ergibt die Zahl in der nächsten Reihe, die man unter dem Zahlenpaar notiert. So entsteht die Dreiecksstruktur. Und da die Zahlen die Vorfaktoren (Koeffizienten) der binomischen Formeln darstellten, nennt man sie bis heute „Binomialkoeffizienten“ und erfreut sich bis heute an den Vereinfachungen, die sie uns gerade in der Kombinatorik liefern.

Das ist aber nur ein Geheimnis, das sich in dem pascalschen Dreieck verbirgt. Ich behaupte mal, es gibt zig phantastische Zusammenhänge. Meine 3 Favoriten will ich kurz beschreiben.

1. Die Zweierpotenzen

Wenn man die Ziffern der Reihen addiert, erhält man die Folge:  1, 2, 4, 8, 16, 32, 64… Da sind aber genau die Ergebnisse der Zweierpotenzen beginnend bei 2 hoch 0, 2 hoch 1, 2 hoch 2 und so fort. Wenn Ihr damit rechnen wollt, denkt bitte daran, dass wir mit der Nummerierung aus der Informatik arbeiten, die oberste Reihe ist die nullte Reihe, nicht die erste!

2. Elferpotenzen

Wenn man die Ziffer der Reihen einfach hintereinanderschreibt, erhält man die Folge: 1, 11, 121, 1331, 14641 … Das sind aber genau die Ergebnisse der Elferpotenzen. 11 hoch 0 ist 1. 11 hoch 1 ist 11, 11 hoch 2 ist 121, 11 hoch 3 ist 1331 und so weiter. Auch hier achtet darauf, dass wir beim Durchnummerieren der Reihen bei 0 beginnen.  Natürlich wird jetzt der aufmerksame Rechner sagen, dass das ab 11 hoch 5 nicht mehr funktioniert, denn aus dem pascalschen Dreieck erhalten wir die Zahl 15.101.051, 11 hoch 5 ist aber 161.051. Das ist korrekt, aber Zahlen mit mehr als 2 Stellen müssen wir mit dem Übertrag behandeln. Das ist im Rechenkasten noch mal dargestellt.

3. Fibonacci-Reihe

Die Fibonacci-Reihe ist eine extrem elegante Zahlenfolge, bei der einfach die Summe der beiden letzten Zahlen die nächste ergibt. Damit diese Regel aber packen kann, müssen wir die ersten beiden Ziffern vorgeben: 1, 1. Die Summe ist 2 (1,1,2). 1 und 2 ergibt 3 (1,1,2,3). 2 und 3 ergibt 5 (1,1,2,3,5). 3 und 5 ergibt 8 (1,1,2,3,5,8). Und so weiter. Wenn Ihr euch einen schönen Nachmittag bereiten wollt, schreibt doch mal die ersten 100 Zahlen der Fibonacci-Reihe auf. Und dann teilt ihr die nacheinander die jeweils rechte durch die linke Zahl aus der Folge. Ihr erhaltet eine Näherungsformel für die Zahl Phi (1,618…).  Wenn Ihr jetzt das pascalsche Dreieck sauber aufmalt und Striche im 60-Grad-Winkel  in das Dreieck zieht, dann addiert die Zahlen entlang der Striche. Oben im Bild ist die Idee skizziert. Die Summen ergeben nichts anderes als die Fibonacci-Reihe.

Und jetzt kommt quasi atemberaubende Moment. Die Zahlen des Pascalschen Dreiecks sind sehr künstlich. Wir haben Formeln, die einfach durchgerechnet werden. Die Fibonacci-Reihe ist im Grunde auch sehr künstlich, aber sie ist eine Näherungstechnik an die Zahl Phi. Und die stammt eigentlich weniger aus der Mathematik, sondern eher aus den Wachstumsregeln von Lebewesen und Pflanzen auf unserer Erde. Phi repräsentiert den goldenen Schnitt, das Harmonie-Verhältnis.

Das populärste Beispiel: Messt Eure Körpergröße und die Höhe Eures Bauchnabels. Dann teilt ihr die Größe durch die Höhe und erhaltet Phi. Armlänge durch Unterarmlänge, Spiralviertel durch nächst kleineres Spiralviertel an einem Muschelgehäuse oder in Sonnenblumenblüten, und und und. Das Dreieck scheint eine Symbiose aus Lebensentwicklung und Mathematik zu sein.

Ach, es ist spät, da gönnen wir uns doch einen Ausflug in die „Spekulation“. Nehmen wir einmal an, dass die Harmonie-Konstante mit der Masse unserer Erde zu tun hat. Wäre die Erde schwerer, wären wir vermutlich kleiner, weil große Menschen dann beim Hinfallen größere Verletzungen erlitten und damit die Überlebenschance kleinerer Menschen größer wäre. Darunter müsste das Harmonie-Verhältnis aber nicht leiden. Und jetzt die Spekulation. Fremde Zivilisationen auf anderen Planeten irgendwo im Universum kennten das Pascalsche Dreieck – natürlich nicht unter diesem Namen – ebenfalls, wenn ihre Algebra gleich unserer aufgebaut wäre. Zumindest könnten wir ihnen das Dreieck zeigen und es funktionierte genauso wie über all im Universum. Wir könnten ihnen somit auch die Herleitung des Harmonie-Verhältnisses zeigen. Und es wäre schon sehr, sehr seltsam, wenn Phi nur hier existierte und auf einem anderen Planeten nicht, obwohl auch dort mathematisch herleitbar. Die Folge: Gewisse Ähnlichkeiten zwischen Aliens und Menschen sind zu erwarten. Vielleicht sind wir uns ja gar nicht so fremd!

  1. Jürgen

    Ach, die sollen das mal unter sich ausmachen.

  2. Joe Freiburg

    Oder der umgekehrte Teilmengensatz: Je dümmer ein Teil einer Zivilisation wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich vernichtet, und den Rest gleich mit. „Irgendwas first“…

  3. Jürgen

    So gesehen ist das natürlich richtig.
    Ich hatte nicht an die unendliche Menge von Paralleluniversen und die unendliche Menge von big bangs und big crunches gedacht – sondern nur an uns.
    Wie naiv.
    Ich halte es auch für ausreichend, wenn es bei besagter Grundintelligenz bleibt.
    Je intelligenter eine Zivilisation nämlich wird, desto grösser ist die Gefahr, dass sie sich vernichtet. (Enrico Fermi)

  4. Joe Freiburg

    Das ist eine spannende Frage. Aber die These lautet ja, dass überall unter allen entsprechend gut laufenden Umständen so ähnliche Typen wie wir entstanden sind. Und wenn Theia nichts gebracht hätte, dann vielleicht ein anderes Objekt irgendwann später.
    Und, was auch immer dann hier auf der Erde entstanden wäre, mit der nötigen Grundintelligenz hätten die Typen/Typeninnen/Typenessen sich natürlich Gedanken über Dreiecke gemacht.

  5. Jürgen

    Alles sehr schön erklärt!
    Aber bei der Spekulation muss ich Einspruch einlegen.
    Wenn die Erde schwerer wäre, dann wäre die durch den Einschlag von Theia auf die Erde freigesetzte Materie wieder auf die Erde zurückgefallen und unser Mond wäre nicht entstanden. Ohne den Mond wäre aber das uns bekannte Leben nicht entstanden. Somit würde sich auch niemand Gedanken über Dreiecke machen.
    Gut, dass wir uns Gedanken über Dreiecke machen können.

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